Sigrid Hess

Es fehlt uns ein Beruf: der digitale Dokumentar

26. Februar 2018

Ein Beruf fehlt in unserer digitalisierten Welt: jemand, der sich hauptamtlich darum kümmert, dass ein Unternehmen oder eine Behörde archivrelevante Informationen auch tatsächlich angemessen und wieder auffindbar verwahrt.
Das fiel mir so richtig auf bei einem Gespräch, in welchem ich von einem Inhaber erfuhr, der sich sinngemäß beklagte: „Ganz früher hatten wir eine Registratur. Dort gab es einen hauptamtlichen Archivar. Wenn ich irgendetwas wissen wollte, ging ich zu ihm und konnte die Information bekommen. Heute haben alle Leute das irgendwo auf ihren Rechnern und ich habe kaum noch Möglichkeiten, an Informationen aus erster Hand zu kommen.“

„Ja, aber dafür haben wir doch unser archivsicheres DMS (Dokumentenmanagementsystem)!“ höre ich jetzt andere Stimmen rufen. Ja, auch das stimmt. Und außerdem haben wir ein CRM, Jira, Confluence, SharePoint und so weiter. Microsoft hat recht neu – die Werkzeuge Teams, Planner und Delve mit Office 365 für Unternehmen herausgebracht.

Diese Tool erarbeite ich gerade. Sie sind anders als andere Microsoft Produkte: auf die Teamarbeit ausgerichtet, intuitiv bedienbar, mobilfähig. Außerdem sind sie auch noch ein weiterer Kanal, in welchem Informationsströme fließen. Hier sind die Grenzen zwischen „kollegialem Geplauder“ und archivwerter Information ist zunehmend schwerer zu ziehen.

Alle genannten Tools – daneben natürlich auch Outlook und OneNote – haben Nutzen für die Kommunikation und den Informationsfluss in Teams. Doch: Es braucht dringend ein Konzept für die Nutzung und Konventionen. Das ist schon so bei einfacher Ablage auf dem Explorer, das ist so innerhalb von SharePoint, das ist so in den Microsoft-Tools Teams und Planner. Der Hauptnutzen ist die Zusammenarbeit .Doch wenn jeder das „irgendwie“ macht – dann kommt eben auch „irgendwas“ am Ende raus.

Wenn beispielsweise Sven in drei Teams ist, und in jedem Team wird Microsoft Teams verwendet, ist es gut möglich, das das auf dreierlei unterschiedliche Weise geschieht.

Team A nutzt Teams in vollem Umfang – hat dort Registerkarten mit Excel-Tabellen, OneNote und natürlich auch die Dokumente (die hier im Zugriff sind, aber auf SharePoint gespeichert)
Team B macht die Aufgabenüberwachung komplett in Planner, Dokumente sind, aus historischen Gründen, auf dem lokalen Laufwerk gespeichert.
Team C wiederum hat die Aufgabennachverfolgung und Protokolle in Form von SharePoint-Listen angelegt, auch alle Dokumente sind auf SharePoint in Bibliotheken angelegt. Allenfalls die Chat-Funktion von Teams wird genutzt – wenn überhaupt.

Soweit ist das Problem noch nicht groß – Sven kommt damit klar. Doch wenn Sven den Arbeitsplatz wechselt und Marc übernimmt, braucht er lange, bis er sich in den unterschiedlichen Strukturen zurechtfindet und produktiv arbeiten kann. Und wenn wir uns 5 Jahre in die Zukunft denken – dann stelle ich es mir schwierig vor, nochmals herauszufinden, wie eigentlich eine bestimmte Entscheidung zustande kam. Natürlich sind da Protokolle und Beschlüsse aus Sitzungen. Wenn das genügt, haben wir auch kein Problem. Doch ich sehe das Risiko: dass wir uns verheddern in all den Strängen der Informationsflüsse auf verschiedensten Kanälen.

Es braucht einen Dokumentar – damit meine ich nicht eine Person, die einfach alles entgegennimmt und einsortiert, wie das vielleicht früher war, sondern eine Person, die sich wirklich gut auskennt mit den Tools, die im Haus zur Verfügung stehen, die Teams berät bei der Entscheidungsfindung, wie man dies oder jenes Thema am besten dokumentiert. Und natürlich auch sagt, was wirklich langfristig Relevanz hat und was nicht. Und so auch Standards im Haus etablieren kann.

Wenn Sie einen solchen Beruf kennen, ihn selbst ausüben oder es in Ihrem Unternehmen jemanden gibt, der so etwas in dieser Art tut, freue ich mich sehr über eine Nachricht in den Kommentaren oder als E-Mail.

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